Parkinson, Lewy-Körper-Demenz, Alzheimer oder essenzieller Tremor? Die SPECT-Bildgebung mit Ioflupan erleichtert die schwierige Differenzialdiagnose bei neurologischen Erkrankungen.
Es sind zwei sehr unterschiedliche neurologische Erkrankungen mit sehr ähnlichen Symptomen: Der essenzielle Tremor und die Parkinson-Krankheit (im Frühstadium) sind beide durch ein rhythmisches Zittern gekennzeichnet. Während es sich aber bei Morbus Parkinson um eine weiter fortschreitende neurodegenerative Erkrankung handelt, deren Behandlung in späteren Stadien zunehmend schwieriger wird, ist der essenzielle Tremor eine gutartige Erkrankung, die mit Betablockern suffizient behandelt werden kann und die nicht zwingend weiterer Kontrollen bedarf. „Die Fragestellung nach der Differenzierung zwischen essenziellem Tremor und Parkinson-Syndrom hat für die Patienten enorme Konsequenzen, was die weitere Behandlung und auch die Lebensplanung angeht“, betont PD Dr. Thomas Pyka, M.Sc., Oberarzt an der Universitätsklinik für Nuklearmedizin am Inselspital/Universitätsspital Bern.
zwischen essenziellem Tremor und Morbus Parkinson zu unterscheiden, so bietet sich eine nuklearmedizinische Diagnostik an: die Untersuchung mittels Einzelphotonen-Emissionscomputertomographie (SPECT) unter der Gabe des Radiopharmakons Ioflupan (123I). Dieser Tracer bindet an die sogenannten Dopamintransporter in einer Gehirnregion namens Striatum. Das sind Proteine, die den Transport von Dopamin durch Zellmembranen ermöglichen. Sie sorgen dafür, dass das an den synaptischen Spalten ausgeschüttete Dopamin von den Neuronen wieder aufgenommen wird. „Man kann von einem Recycling des Dopamins sprechen“, erläutert Pyka. Bei Morbus Parkinson ist die Dopamin-Transporterdichte im Striatum unter anderem wegen des Zelluntergangs der von der Substantia nigra hierher projizierenden Neuronen reduziert. Lässt sich also bei einem Patienten mit verdächtigem Zittern eine reduzierte Dopamintransporterdichte sichtbar machen, so spricht dies für eine vorliegende Parkinson-Erkrankung.
Neben der Differenzierung zwischen essenziellem Tremor und Parkinson-Syndromen gibt es zwei weitere Indikationen für SPECT-Untersuchungen unter dem Einsatz von Ioflupan: Bei Patienten mit klinisch unklaren Parkinson-Syndromen, wie sie zu Beginn der Erkrankung auftreten, und als unterstützende Maßnahme zur Differenzierung zwischen einer wahrscheinlichen Lewy-Körper-Demenz und der Alzheimer-Krankheit.
Die Lewy-Körper-Demenz ist nach Morbus Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Demenz im Alter und kann leicht mit dieser verwechselt werden. Die Lewy-Körper-Demenz kann als eigenständige Erkrankung auftreten oder sekundär im Rahmen einer bereits bestehenden Parkinson-Krankheit. In beiden Fällen zeigen sich im Gehirngewebe der Patienten charakteristische Strukturen: runde zytoplasmatische Einschlusskörperchen der Nervenzellen, die sogenannten Lewy-Körperchen. Bei der Lewy-Körper-Demenz ist ebenso wie bei der Parkinson-Krankheit die präsynaptische Dopamin-Transporter-Bindung im Striatum vermindert. Auf diese Weise kann eine SPECT-Untersuchung mit Ioflupan zwischen Lewy-Körper-Demenz und Alzheimer-Krankheit unterscheiden.
Das zeigt, wie schwierig sich die Differenzialdiagnose bei neurodegenerativen Erkrankungen gestaltet. Oft tritt im Rahmen des Morbus Parkinson in späteren Stadien zusätzlich eine Demenzerkrankung auf: die Parkinson-Demenz. „Das ist sozusagen die natürliche Entwicklung des Morbus Parkinson“, erläutert Pyka. Aber es gibt auch jene Fälle, in denen nicht die Parkinson-Symptomatik im Vordergrund steht, sondern zunächst die demenzielle Entwicklung. Wenn aber keine typische Parkinson-Symptomatik vorliegt, kann diese Demenz kaum von anderen Demenzformen, die eine ähnliche Symptomatik haben, abgegrenzt werden – zum Beispiel von der Alzheimer-Demenz. Diese Unterscheidung ist allerdings von allergrößter Bedeutung, wie Pyka bekräftigt: „All diese Demenzen haben natürlich ganz andere Verläufe und werden unterschiedlich behandelt.“
In der Forschung gibt es auch Versuche, die Dopamintransporter mit Hilfe von Positronen-Emissions-Tomographie (PET) sichtbar zu machen. Allerdings ist die diagnostische Wertigkeit der PET zur Beurteilung des Parkinson-Syndroms aus heutiger Sicht nicht höher als jene der SPECT. „Die SPECT-Bildgebung ist einfacher, günstiger und von der Logistik her praktischer, so dass es eigentlich keinen Anlass gibt, in diesem Zusammenhang die SPECT- durch die PET-Bildgebung zu ersetzen.“
PD Dr. med M.Sc. Thomas Pyka hat von 2000 - 2008 Physik und Medizin an der LMU in München studiert, dem sich ein Masterstudium in Medizintechnik an der TU in München anschloss. Von 2010 – 2017 war Pyka als Weiterbildungsassistent in der Nuklearmedizin am Klinikum rechts der Isar der TU München tätig. 2019 habilitierte er im Fach Nuklearmedizin, es folgte der Facharzt für Radiologie.
Seit 2021 ist er Oberarzt für PET/CT- und Neurologische Bildgebung an der Universitätsklinik für Nuklearmedizin am Inselspital Bern, Schweiz.